in memoriam Nikolaus Harnoncourt und Gabriele Sima

2016 war der Sensenmann schon viel zu oft in meinem familiären und beruflichen Umfeld zu Gange. Der heute bekannt gewordene Tod der großartigen Mezzosopranistin Gabriele Sima erinnert mich an schöne Begegnungen mit ihr, an ein wunderbares gemeinsames Konzert im Teatro Bibiena in Mantua, ein zufälliges Treffen vor gut zwei (?) Jahren joggend im Lainzer Tiergarten… und heute die Todesnachricht, allzu jung, all zu früh. www.diepresse.at

Solche Erinnerungen an gemeinsame Erlebnisse tauchen unweigerlich auf. Auch der Tod des Dirigenten Nikolaus Harnoncourt Anfang März hat in vielen von uns, die lange Zeit mit ihm musizieren durften, solche Gedanken hervorgerufen. Doch – hier sträubt sich die Feder, respektive die Computertastatur. Nicht wenige haben in den vergangenen Wochen ihre Erinnerungen über Print, Radio, Internet und Facebook* mitgeteilt. Als ich vor zwei Tagen auf einen Beitrag im Kulturmagazin des Landes Oberösterreich gestoßen bin, habe ich mein eigenes Zögern erstmals artikuliert gefunden:

VOM UNGEHORSAM AM GEHÖRTEN

Kein Versuch eines Nachrufs für Nikolaus Harnoncourt . Norbert Trawöger

DIE WELTWEITE FÜLLE, VIELFALT UND INTENSITÄT DER NACHRUFE auf Nikolaus Harnoncourt zeigt einmal mehr seine unüberhörbare Wirksamkeit. Doch kaum eine Nachrufende, ein Nachrufender bekommt den Umfassenden wirklich zu fassen, sondern berichtet viel mehr über die Spuren, die er an ihr, in ihm hinterlassen hat. Lassen Sie auch mich am Fassen dieses Phänomens scheitern. Und wenn ich Harnoncourt hier als Phänomen festschreibe, liege ich gleich zu Beginn meiner Annäherungen falsch, war er doch alles andere als flüchtig, ein Aggregatzustand, der Phänomenen aber gemein ist. Fest steht: kein anderer Mensch hat nicht nur die Musikwelt so unverzagt in Atem gehalten, wie der 1929 in Berlin geborene österreichische Musiker. Jemand, der weiß, dass er widersprechen kann, weiß auch, dass er gewissermaßen zustimmt, wenn er nicht widerspricht“, lese ich bei Hannah Arendt und denke an Harnoncourt. Im „Ungehorsam“ steckt das Hören drinnen. Er war ein Ungehorsamer, er glaubte nicht unhinterfragt, was er zu hören bekam. Und sich selbst wohl auch immer nur in der Gegenwart. Wenn man auf der Spur bleibt, kann man morgen ganz andere Erkenntnisse erlangen, die die Wahrheit von heute in eine andere transformiert. Die Bereitschaft, sich selbst nicht zu widersprechen, ist ihm – der phasenweise als Fundamentalist abgestempelt wurde – zeitlebens fremd geblieben, dazu reicht ein Horchen an seiner Aufführungsevolution oder ein Vergleich von früheren und späteren Aufnahmen gleicher Werke.

Memento mori!

Facebook-Eintrag Musikverein * 17. März
Am 18. März wird im Grazer Dom ein Requiem für Nikolaus Harnoncourt gefeiert, am Samstag, dem 19. März, um 11.00 Uhr, zelebriert Christoph Kardinal Schönborn in der Wiener Piaristenkirche (Fotos: Andreas Faessler) ein Requiem für Nikolaus Harnoncourt. Im Grazer Dom war Harnoncourt Ministrant und hat als solcher erste elementare Kenntnisse der Kirchenmusik erworben. Die Piaristenkirche war »seine Kirche«, so lange Harnoncourt (Foto: Terry Linke) in Wien gelebt hat bzw. wann immer er danach in Wien war; auf ihrer Orgelempore hat er mit seiner Frau auch Kirchensonaten Mozarts aufgenommen. Bei der musikalischen Gestaltung dieses Requiems in der Piaristenkirche werden prominente Künstler (u.a. Michael Schade, Florian Boesch, Mitglieder des Concentus Musicus Wien unter Stefan Gottfried und Anton Holzapfel an der Orgel) zum letzten Mal für Nikolaus Harnoncourt tätig sein und sich damit auf ihre Weise von ihm verabschieden.
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